Schon wieder Ärger mit der Deutschen Bahn
Geschrieben von Rechtsanwalt Konstantin Neimann , Published in Unsere Praxis- Hauptkategorie: Publikationen
Eine Klausel in den allgemeinen Beförderungsbedingungen, die festlegt, dass eine Kündigung des Verbrauchers erst mit Eingang der Jahresfahrkarte per Einschreiben beim Kundenservice des Personenbeförderungsunternehmens wirksam wird, ist gemäß § 309 Nr. 13 BGB unwirksam.
In seinem Urteil vom 25.09.2014 wies das Amtsgericht Bonn (Az: 116 C 55/14) die Klage eines Inkassounternehmens, an das die Zahlungsforderung eines Personenbeförderungsunternehmens (Deutsche Bahn Vertrieb GmbH) abgetreten worden war, mit der Begründung ab, dass eine sog. „Fahrkartenrücksendungsklausel“ in den allgemeinen Beförderungsbedingungen der Zedenten, die die Wirksamkeit der Kündigung von der Rücksendung der Jahreskarte abhängig macht, gegen § 309 Nr. 13 BGB verstößt und aus diesem Grund unwirksam ist.
Dem Gerichtsverfahren lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Beklagte schloss mit der Deutsche Bahn Vertrieb GmbH am 25.06.2011 einen Personenbeförderungsvertrag über eine Jahreskarte (Jahresabonnement) ab. Die allgemeinen Beförderungsbedingungen der Deutschen Bahn enthielten unter Ziffer 8.3.2. folgende Klausel:
„Kündigungen bedürfen der Schriftform. Eine Kündigung wird erst mit Eingang der Jahreskarte beim aufgebenden Abo-Center per Einschreiben wirksam; die Zusendung der Karte entfällt bei Kündigung zum Ablauf der Geltungsdauer. Wird die Zeitkarte nicht bis spätestens 5 Tage nach dem Kündigungstermin zurückgegeben, hat der Reisende bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe weiterhin die vollen monatlichen Raten zu zahlen.“
Das Jahresabonnement wurde durch eine außerordentliche Kündigung der Beklagten wirksam zum 26.12.2011 gekündigt. Dabei vergaß die Beklagte ihre Jahreskarte sofort nach dem Kündigungstermin an das Personenbeförderungsunternehmen zurückzusenden.
Die Deutsche Bahn forderte die Beklagte so dann unter dem Hinweis auf Ziffer 8.3.2. der allgemeinen Beförderungsbedingungen auf, das Beförderungsentgelt bis zum Eingang der Jahreskarte vollständig zu entrichten, und trat anschließend ihre Forderung an das Inkassounternehmen (Universum Inkasso GmbH) ab.
Die Zahlungsklage des Inkassounternehmens ist vom Amtsgericht Bonn in vollem Umfang abgewiesen worden. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin zwar die Berufung (Landgericht Bonn, Az.: 5 S 208/14) eingelegt, in der mündlichen Verhandlung am 07.01.2015 hat sie jedoch auf ihren Zahlungsanspruch dem Grunde nach verzichtet, um eine unvermeidbare Niederlage in der Berufungsinstanz abzuwenden.
Begründung des Gerichts:
Das Gericht führte aus, dass der 2. und 3. Satz der Ziffer 8.3.2. gegen § 309 Nr. 13 BGB verstoßen und aus diesem Grund unwirksam seien.
Gemäß § 309 Nr. 13 BGB sei eine Klausel unwirksam, durch die Anzeigen oder Erklärungen, die dem Verwender oder einem Dritten gegenüber abzugeben seien, an eine strengere Form als die Schriftform oder an besondere Zugangshindernisse gebunden seien. Dementsprechend seien solche Klauseln in AGB unwirksam, die von der gesetzlichen Regelung des § 130 BGB abwichen. Eine solche Abweichung liege insbesondere dann vor, wenn die Kündigungsklausel die Übermittlung der Kündigung per eingeschriebenen Brief vorschreibe.
Nach dem Satz 1 der Ziffer 8.3.2. reiche zwar für das Kündigungsschreiben selbst eine einfache Schriftform aus, durch das Erfordernis des Einganges der Jahreskarte per Einschreiben beim Kundenservice werde eine verschärfte Zugangsbedingung als Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung von dem Verwender gefordert. Durch die Bedingung werde das Schriftformerfordernis konterkariert. Die Kündigung müsse in einer einfachen Schriftform nicht nur erklärt, sondern auch wirksam werden können, ohne dass es weiterer Ereignisse mit besonderen Zugangs-voraussetzungen bedürfe.
Soweit die Klägerin die von ihr gewählte Kombination mit Missbrauchsgefahren begründe, seien diese der Sphäre der Klägerin zuzurechnen und dürfte nicht einseitig auf gutwillige Kunden verlagert werden. Notfalls müsse die Klägerin andere geeignete Sicherungsvorkehrungen gegen Missbrauch treffen.
Kritik:
In Anbetracht des eindeutigen Wortlauts des § 309 Nr. 13 BGB ist der Entscheidung des AG Bonn zuzustimmen.
Zunächst ist positiv hervorzuheben, dass nach der zutreffenden Auffassung des AG Bonn eine Kündigung in einer einfachen Schriftform nicht nur erklärt, sondern auch wirksam werden können muss.
Zutreffend wies das Amtsgericht ferner daraufhin, dass die von der Klägerin als Begründung angeführte Missbrauchsgefahren der Sphäre der Klägerin zuzurechnen sind und auf einen gutwilligen Kunden einseitig nicht verlagert werden dürfen.
Zwar hat das Gericht die Frage bezüglich der Wirksamkeit einer AGB-Klausel, die das Wirksamwerden der Kündigung von einer formlosen Übersendung der Jahreskarte abhängig macht, ausdrücklich offengelassen. Aufgrund des klaren Wortlauts des § 130 Absatz 1 BGB ist jedoch jede weitere Bedingung für die Wirksamkeit der Kündigung, die über den faktischen Zugang der Kündigungserklärung hinaus geht, als ein besonderes Zugangserfordernis i. S. v. § 309 Nr. 13 BGB anzusehen.
Obwohl alle Feststellungen des AG Bonn im Ergebnis richtig sind, wäre es allerdings wünschenswert, dass das Amtsgericht zwischen dem Satz 2 und Satz 3 in Ziffer 8.3.2. AGB dogmatisch sauberer differenziert hätte. Während der Satz 2 nach § 309 Nr. 13 BGB unwirksam ist, folgt die Unwirksamkeit des Satzes 3 nicht aus § 309 Nr. 13 BGB, sondern vielmehr aus § 307 I, II 2 Nr. 1 BGB. Denn Satz 3 der Ziffer 8.3.2. stellt per se kein zusätzliches Zugangserfordernis dar, sondern begründet vielmehr eine zusätzliche Zahlungspflicht für den Fahrgast. Eine solche Zahlungspflicht ist mit wesentlichen Grundgedanken der gesetzlichen Regelung nicht zu vereinbaren und benachteiligt den Fahrgast unangemessen.
Hinweise für die Praxis:
Das Urteil des Amtsgerichts Bonn vom 25.09.2014 leistet einen wesentlichen Beitrag zu der Stärkung von Verbraucherrechten.
Da die „Kartenrücksendungsklauseln“ nicht nur in Allgemeinen Beförderungs-bedingungen zu Personenbeförderungsverträgen häufig zu finden sind, sondern in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen von vielen anderen Unternehmen, wie z.B. Mobilfunkanbieter, enthalten sind, wird die Entscheidung des Amtsgerichts Bonn eine wichtige Bedeutung für die Praxis haben.
Ist in einem Vertrag die „Fahrkartenrücksendungsklausel“ oder „SIM-Kartenrücksendungsklausel“ enthalten, werden Verbraucher von den Unternehmen nach einer wirksamen Kündigung oft gezwungen, weitere monatliche Zahlungen bis zur Rücksendung der Fahrkarte bzw. SIM-Karte zu leisten.
Eine solche Vorgehensweise ist aber nach der Auffassung des Amtsgerichts Bonn gerade rechtswidrig, weil das jeweilige Vertragsverhältnis schon mit dem Zugang einer schriftlichen Kündigung beendet ist und keine vertraglichen Ansprüche auf die Zahlung von den laufenden Monatsabschlägen in der Regel mehr bestehen.
Leistet der Verbraucher auf Verlangen des Unternehmens weiter Zahlungen, so steht ihm ein bereicherungsrechtlicher Rückzahlungsanspruch zu. Da die regelmäßige Verjährungsfrist erst mit dem Schluss des Jahres, in dem der Verbraucher von der Unwirksamkeit der „Kartenrücksendungsklausel“ Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste, droht vielen Unternehmen zurzeit eine Lawine an Nachforderungen von ihren ehemaligen Kunden.
Die „Kartenrücksendungsklauseln“ haben unterschiedliche Formen und könnten zum Beispiel wie folgt formuliert sein:
„Kündigungen bedürfen der Schriftform. Eine Kündigung wird erst mit Eingang der Jahreskarte/Fahrkarte/SIM-Karte beim Unternehmen per Einschreiben wirksam. Wird die Jahreskarte/Fahrkarte/SIM-Karte nicht bis spätestens 5 Tage nach dem Kündigungstermin zurückgegeben, hat der Verbraucher bis zum Zeitpunkt der tatsächlichen Rückgabe weiterhin die vollen monatlichen Abschlagsbeträge an das Unternehmen zu zahlen.“
Sollten Sie bei Überprüfung Ihres Vertrages feststellen, dass eine solche oder ähnliche AGB-Klausel auch in Ihrem Vertrag enthalten ist, können Sie gerne mich jederzeit hierzu kontaktieren, um eine individuelle Rechtsberatung zu bekommen.
Ich unterstütze Sie gerne bei der Überprüfung Ihres Vertrages und vertrette Ihre Interessen sowohl bei der Abwehr von unberechtigten Zahlungsforderungen als auch bei der Durchsetzung Ihrer Rückzahlungsansprüche.
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Die anonymisierte Fassung des im Beitrag zitierten Urteils können Sie hier gerne abrufen: AG Bonn, Urt. v. 25.09.2014 – 116 C 55/14
Hinweis:
Die Ausführungen im vorliegenden Beitrag beziehen sich ausschließlich auf den dem Beitrag zugrundeliegenden Sachverhalt und können eine individuelle Rechtsberatung, die auf Ihre spezifischen Probleme eingeht, nicht ersetzen.